Mittwoch, 11. Februar 2009

Der argumentative Absolutismus

"Argumentativer Absolutismus" bezieht sich auf die Rhetorik. Auf die alltäglich angewandte Rhetorik in Debatten, in Diskussionen.

Wird etwa über schreckliche Ereignisse gesprochen, so werden stets die allerschlimmsten genannt. Wird über Religion gesprochen, so werden die größten Konfessionen genannt und die extremsten Positionen.

Und selbst am Cern geht es darum ob nun die kleinsten Bauteile der Materie materiell substanziell sind. Oder eben nicht. Ja oder nein.

Etwas ist wahr oder falsch - die Wahrheit kennt schließlich kein Pardon, es gibt keine Alternative zu ihr.

Eine Aussage ist entweder wahr oder sie ist falsch - am Ende kann es nur "ja" oder "nein" geben!

So kann dann weiterführend etwas ja nur entweder "gut" oder "schlecht" sein. Bestenfalls noch "neutral", da eventuell irrelevant, belanglos.

Hatte Lacan also doch recht?

Wie sehr widerspiegelt die angewandte Rhetorik, die Artikulation das Denken eines Menschen?

Oder haben wir heute schlichtweg keine Zeit mehr um zu differenzieren? Mh, in einer "Informationsgesellschaft", in der "Kommunikationsgesellschaft"? Ausgerechnet . . ?

Es ist ja schon paradox : ausgerechnet wir Menschen müssen uns die Wahrheit denken. Es reicht uns nicht, einfach wahrzunehmen. "Darüber sind wir hinaus", so könnte man sagen. Was uns unsere Vorstellungskraft Gewinn ist, so wird sie uns auch zum Verhängnis. Denn wir haben eine Vorstellung über Wahrheit, über Realität. Dieses "uns die Wahrheit denken" heißt auch, dass wir nie eine holistische Sicht über die Wahrheit gewinnen können. Sie bleibt für uns perspektivisch.

Und so vergessen wir leicht einmal, warum wir überhaupt über Gewissheit von Wahrheit verfügen wollen. Weil wir nämlich danach gefragt haben . . .

Tut jemand Sachverhalte kund und kann ihm später jemand anders darauf argumentativ kontern, ihm den "Fund von Wahrheit" entreißen, so ist das eine Kränkung. Ja, niemand will unrecht haben.

Da hat es die Kunst ein wenig besser. Mag auch sie längst vom Idealismus in der Unterscheidung zwischen ""richtig" und "falsch" durchtränkt sein - essentiell geht ihr nach wie vor um's Verständnis über die Dinge. Sichtweisen und Perspektiven sind ihr Metier. Man kann etwas nicht "wahrer" oder "falscher" malen. Es sind verknüpfte Assoziationen, welche uns ein Bild sympathischer oder unsympathischer wirken lässt.

Dies erinnert mich auch an Abrahams Maslow's Eingangsthematik zu seinem Werk "Motivation und Persönlichkeit". Worin er schrieb, dass selbst naturwissenschaftliches Forschen motiviert ist. Vom einzelnen Individuum welches forscht, versteht sich.

Wahrheit ist also nicht einfach da. Wir wollen sie wissen, streben danach über sie zu verfügen.

Die Beschränkung auf "argumentativen Absolutismus" behindert Wahrheitsfindung jedoch! Denn er lässt Varianten aus, ignoriert Abweichungen und Abzweigungen.

Pragmatisch ist er nicht, und die Ordnung ist nur vermeintlich, das Chaos keinesfalls gebannt. Im Gegenteil, solch angewandte Argumentation lediglich Verzweiflung; gründend auf der Angst, die bisher gewonnene Übersicht  verlieren zu können.

Denn wir fragen weiter und das gefährdet die bisher gewonnenen Gewissheiten.  Der Mensch, derjenige der sein Chaos selber schafft . . .

Eine Art anthropologische Neurose, dieser "argumentative Absolutismus".

Mittwoch, 7. Januar 2009

Desaster in Nahost

Seit gut einer Woche interveniert Israel militärisch in Gaza. Ein Krieg in einem Land, dessen völkerrechtlicher Status nicht mal geklärt ist. Eine hochgerüstete, moderne Armee gegen eine Autonomieverwaltung.

Das Kräfteverhältnis ist das eine und scheint angesichts der sogenannten "menschlichen Kollateralschäden" klar zu sein. Ist es das wirklich?

Das primäre Ziel könnte mit dieser massiven Militäraktion gut erreicht werden - das Ende des Beschusses aus Gaza. Doch ob das langfristige Ziel (Frieden) damit erreicht werden kann, ist stark zu bezweiflen. Wir (und auch die israelische Führung) wissen nur zu gut, dass dieser Krieg nur weiteren Hass auf Israel schüren wird.

Aber Israel steht mit diesem Problem alleine da. Die Welt möchte sich in diesem heiklen Gebiet nicht die Hände schmutzig machen. Dafür sind die politischen Zusammenhänge im nahen Osten viel zu verworren.

Gleichzeitig muss Israel jedoch reagieren. Dies haben sie nun getan. Ein Nachbar der Unabhängigkeit, einen eigenen Staat will, den Nachbar jedoch täglich mit Raketen beschießt, eine Regierung welche sogar zum großen Teil das Existenzrecht des Nachbarn abspricht.

Der Krieg selber ist ein Desaster. Auch hier zeigt sich wieder einmal mehr, dass militärische Überlegenheit den psychologischen/soziologischen Faktoren unterliegt.

Palästinensische Kämpfer welche sich in Häuser verschanzen - aus ihnen heraus schiessen - in denen sich gleichzeitig Frauen und Kinder aufhalten.

Menschliche Schutzschilder sind eine besonders perfide Taktik in der Psychologie eines Krieges. Und während einem solchen Gefecht ist wohl allen Beteiligten klar, was auf ihre Situation folgen wird. Ein Desaster.

Tote Zivilisten sind Gift für Israel im Ansehen vor der Weltgemeinschaft. Und eine Bestätigung für alle jene, welche sich die Hände nicht schmutzig machen wollten. So ist es einfach, Israel anzuklagen. Und dennoch ist man froh um Israel, welches geopolitisch die westliche Festung zur arabischen Welt hin darstellt.

Entführen somalische Piraten westliche Transportschiffe, so rufen die verschiedenen Nationen nach militärischem Schutz und ggf Vergeltung. Und selbst eine Binnennation wie die Schweiz ist bereit, Soldaten in hohe Gewässer zu senden. Soldaten ohne jegliche Ausbildung auf See.

Die militärische Technologie ist trügerisch. Der anarchische Terrorismus lässt sich nur bis zu einem gewissen Grad lokalisieren. Und er profitiert geradezu von der technischen Übermacht. Denn er ist moralisch im Vorteil. Armut ist das Hauptargument, und dieses ist das verheendste.

Es wundert keineswegs, dass der anarchische Terrorismus auf der Welt zunimmt. In auffällig vielen Gebieten die als Kriesenherde bezeichnet werden, ist die Armut strukturiert. Mangel nach Nahrung und nach Infrastruktur wird beklagt, doch einen Mangel an Waffen herrscht in solchen Gebieten nicht. Dies gilt insbesondere für den nahen Osten, für Palästina. So muss man sich fragen, wer bezahlt und organisiert diese Waffen? Und warum? Und weshalb werden diese Waffen angenommen, wo man doch ambivalenterweise Frieden möchte?

So dient Armut leider zu oft der reinen Rhetorik!

Der Selbstbetrug Menschen in diesen Gebieten besteht aus Partisanen-Romantik.

Geht es den Beteiligten tatsächlich um Frieden oder um die Bewahrung der eigenen Lebensweise?

Frieden zu wollen, gegen Armut zu sein, das sind die schlagkräftigsten rhetorischen Argumente. Änderung einer eigenen Lebensweise kann - so absurd wie es klingen mag - kann auch Verlust an Identität bedeuten.

Und je mehr man die Rhetorik solcher Klagenden auf vordergründiger Ebene - wie etwa Krieg - bestätigt, umso mehr gibt man ihr Nahrung um fortzubestehen!

Der nahe Osten ist ein einziges Dilemma. Und die ganze Welt schaut zu, wie dieses Dilemma weitergeführt wird. Man empört sich ab den Bildern flüchtender, verletzter und toten Zivilisten. Doch dass eben auch diese Zivilisten nicht imstande sind, ihre Eigenverantwortung wahrzunehmen, wird kaum erwähnt. Die Opferrolle ist ihnen gewiss. Sie mögen auch Opfer sein, in einer Gesellschaft die Opfer sein will. Um sich vor Verantwortung zu drücken, eine Verantwortung, welche ihre Identität neu definieren würde. Nicht weniger Opfer werden die sein, welche ihr Leben lang von Alpträumen geplagt werden. Die, welche im Namen eines hierarchischen Befehls auf unbewaffnete Zivilisten schossen und sich so ihrer tiefsten Moralität beraubten. Opfer werden auch die sein, welche all die Rhetorik des Hasses erben werden.

Hier tun sich auf beiden Seiten Abgründe auf. Diese Abgründe sind die wahren "Kollateralschaden"!

Allmählich muss man sich fragen, weshalb diesem Konflikt nicht entschlossen Einhalt geboten wird. Ein kleiner Flecken Erde und die strukturellen sowie kulturellen Verhältnisse sind klar. Israel als "westliche Festung zur arabischen Welt hin", das würde wohl kein Staatspolitiker so definieren, würde sich hüten vor einer solchen Aussage. Fundamentale christliche Erweckungsgläubige, die den Islam als ihr größten Feind betrachten, stehen wohl noch am ehesten zu dieser Auffassung; aber an den Menschen in Israel liegt ihnen nichts, ihr Ziel ist die eigene religiöse Expansion. Das "Pulverfass Naher Osten", ist es wirklich auch ein globales Pulverfass, oder eben doch lediglich auf die Region beschränkt? Dies lässt den vordergründig absurden Verdacht aufkommen, das "Pulverfass naher Osten" diene sogar zur globalen Stabilität!

Ein Konflikt der in Kauf genommen wird, um die globalen politischen Verhältnisse nicht ins Wanken zu bringen, sie nicht offen zu legen.

Die Interessewahrung welche jeweils auf politisch öffentlicher Bühne geäußert werden, lenken nur von der Tatsache der globalen Verknüpfungen ab. Die Staaten sind voneinander abhängig. In diesen gegenseitigen Abhängigkeiten wird der jeweils eigene Handlungsspielraum immer enger. Konflikte die möglichst außerhalb des eigenen Territoriums stattfinden, dienen dann am Schluss zur innenpolitischen Rechtfertigung, zur Legitimation des eigenen Handelns. Die Rhetorik das Werkzeug dafür.

Frieden macht vor der Unmittelbarkeit halt. Kulturelle Lebensweise, Stellung in der Gesellschaft, Motivationen, Interessen, Komfort, die eigene Unversehrtheit. Viel mehr ist Frieden für das Individuum nicht. Frieden ist kein altruistisches Bedürfnis. Aber erst dieses Eingeständnis lässt innehalten. Lässt erahnen, dass Opfer und Täter in der selben Person stecken können. Denn der Täter legitimiert sich rhetorisch als Opfer und das Opfer greift zu den Mitteln des Täter's um sich zu bewahren.

"freedom is just another word for nothing left to loose" j.joplin/k.kristofferson