Der Titel klingt gewiss seltsam. Gleiches gegeneinander zu stellen klingt nach Ambivalenz, nach einem Paradoxon.
Die Individualität ist uns Menschen ein angestrebtes Ziel, ein zu bewahrender Zustand, dessen Verlust einem Verlust eigener Persönlichkeit gleichkommen scheint.
Individualität gleich Persönlichkeit?
Zumindest so haben wir uns dies verinnerlicht und bereits diese Frage wirkt befremdlich.
Fest steht : jeweils eigene Bedürfnisse erklären wir rhetorisch mittels der Individualität. Quasi : "weil ich ein Individuum bin, so steht mir dieses oder jenes Recht zu (für meine Bedürfnisse einzustehen und sie zu äussern)".
Doch kann sich das einzelne Individuum aus sich selbst heraus legitimieren? Sich überhaupt als Individuum betrachten? Braucht es dazu nicht viel eher die Vergegenwärtigung des Kollektiv's als etwas nach außen gerichtetes? Ohne das Kollektiv wäre das Individuum "bloß" ein Einzelwesen. Ein Einzelwesen, welches sich bereits schon durch diese Tatsache als Besonderes, als etwas Einzigartiges, betrachten könnte. Als eigenständiger "Teil der Welt".
Viele Menschen leben in der subtilen, aber allgegenwärtigen Angst, das Kollektiv könnte ihnen die Rechtfertigung der Individualität absprechen. Und damit einhergehend Identität. Diese Angst macht einsam. "Einsam" daher, weil das Kollektiv nicht mehr nur das System ist, in dem sich die eigene Identität eingliedert, sondern zugleich die Befremdliche, von Aussen betrachtende Masse. "Ich und die Anderen".
So ist es uns wichtig zu wissen, dass die anderen Individuen die selben Bedürfnisse teilen. Durch Austausch vergegenwärtigen wir uns die unbewusst, aber unablässig. Wir sprechen uns Verständnis zu, teilen uns ökologische Aufgaben und nicht zu vergessen : die Kunst!
Ja, sie ist geradezu prädestiniert für diesen Austausch.
Aber durch den Geschmack, die Vorlieben, wird auch die quasi "negative" Form der Individualität gewahrt. Durch Gleichheit und Verschiedenheit werden wir in diesem Puzzle zu etwas Einzigartigem, ja, zum Individuum. So seltsam das auch klingen mag.
Das Individuum besteht in der Gesellschaft also nicht nur durch Gleichheit als Individuum, sondern ebenso durch das voneinander Trennende. Auch Ansichten, Meinungen gehören dazu und es entspricht der Abwägung, in welchem Masse und in welchem Teil der Gesellschaft wir uns bewegen und und ein -oder ausgliedern.
Die Individualität ist also an das Kollektiv gebunden. Die eigene Identität Teil der Masse in der Gesellschaft.
Sich darin zu orientieren, beschreibt den Weg den das einzelne Individuum begeht. Und zugleich die Identität. Aber ob diese Orientierung mit Identität gleichgesetzt werden kann, bleibt fraglich.